Die Geschichte des Ving Tsun

Wie eine Nonne und ein Mädchen die Welt der Kampfkünste veränderte.

Wie alles begann

Yim Ving Tsun, die den Beginn des Systems begründete, wurde in der chinesischen Kwang-tung-Provinz geboren. Sie soll ein kluges und hübsches Mädchen mit einem offenen Charakter gewesen sein und wurde schon als Kind mit einem Salzhändler aus der Fukien-Provinz, einem Herrn mit Namen Leung Bok Chau verlobt.
Kurz nach dieser Verlobung verstarb Ihre Mutter. Yim Ving Tsuns Vater, Yim Lee, sah sich vor einem Gericht von einer falschen Anklage einiger persönlicher Feinde bedroht. Um einer Gefängnisstrafe zu entgehen, floh er mit seiner kleinen Tochter und fand am Fuße des Tai-Leung-Berges an der Grenze der Yunnan- und Szechwan-Provinzen eine neue Bleibe. Die beiden verdienten sich ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Tofu.
Die Anhänger des Shaolin-Kung-Fu-Stiles waren während der K’anghsi-Regierung der Ching-Dynastie in China sehr berühmt. Die Regierung sah dies nicht sehr gerne und empfand die kampfstarken und im Volke sehr beliebten Shaolin-Mönche als Störenfriede und Gegenpol zu einer menschenverachtenden Politik. So beschloss man, die Mönche in Shaolin zu töten und das Kloster am Sung-Berg der Provinz Honan in Central China zu vernichten und dem Erdboden gleich zu machen.
Die Soldaten wurden mit dem Befehl nach Shaolin geschickt, alle Mönche zu töten, die religiöse Gemeinschaft aufzulösen und alles auszulöschen, was an Shaolin erinnert. Die Mönche leisteten jedoch in langen und erbitterten Kämpfen einen solchen Widerstand (sie wurden auch von Menschen aus der ganzen Gegend unterstützt) gegen die Soldaten, dass diese dem Kloster nichts anhaben konnten und so die angestrebte Zerstörung erfolglos blieb.
Ein Beamter bei Hofe mit dem Namen Chan Man wollte sich bei der Regierung für einen hohen Posten empfehlen und trug den Plan vor, das Shaolin-Kloster mit List zu vernichten. Er bestach einige abtrünnige Mönche mit sehr viel Geld, und heckte mit dem Rädelsführer dieser Mönche einen teuflischen Plan aus. Der Mönch hieß Ma Ning Yee, ließ sich überreden, seine Glaubensbrüder zu verraten und zündete das Kloster nachts an mehreren Stellen an. Als die Mönche mit eigenen Augen ansehen mussten, wie das Kloster niederbrannte, zerstreuten sich die überlebenden mit ihren Schülern in alle Teile Chinas, um den Häschern der Regierung zu entkommen. Besonders folgende Mönche, müssen hier erwähnt werden: Meister Chi Sin, Meister Pak Mei, Meister Fung To Tak, Meister Miu Hin und die buddhistische Meisterin Ng Mui. Diese Nonne mit Namen Ng Mui nahm am Tai-Leung Berg in einem Tempel, den man den Tempel des Weißen Kranichs nannte, Zuflucht und versteckte sich dort unter einem falschen Namen. 


Dort lernte sie Ving Tsun und Ihren Vater kennen, da sie an deren Tofu-Stand oft Nahrungsmittel für den Tempel einkaufte. Die damals 15-jährige Yim Ving Tsun hatte zu dieser Zeit Ihr langes Haar hochgebunden, was in China signalisierte, dass sie heiraten durfte.
Ving Tsun soll von großer Schönheit gewesen sein und so wurde auch ein dorfbekannter Schläger auf sie aufmerksam, der unter Androhung von Gewalt Ihren Vater zwingen wollte, ihn mit seiner Tochter zu verheiraten.
So waren Yim Ving Tsun und deren Vater ständigen Bedrohungen ausgesetzt und lebten für einige Zeit in Angst und Schrecken. Die buddhistische Meisterin Ng Mui hatte Mitleid mit Ving Tsun und nahm sie als Schülerin auf. Sie versprach Ving Tsun, sie in die hohe Kunst des Kämpfens einzuweihen und sie so lange Kung Fu zu lehren, bis sich diese selbst des Schlägers entledigen konnte, um anschließend ihren Verlobten heiraten zu können. Von da an lernte Yim Ving Tsun täglich bei Ng Mui Kung Fu. Nachdem sie die Techniken gemeistert hatte, forderte sie den Schläger heraus und besiegte ihn.
Ng Mui verließ daraufhin Ving Tsun und ihren Vater um weiter ihre Reisen durch China fortzusetzen. Vorher musste ihr aber Ving Tsun versprechen, den Patrioten zu helfen und die gelernte Kampfkunst zu bewahren, um so die Ching-Dynastie zu stürzen und die alte Ming-Regierung wieder einzusetzen.
Ng Mui nannte Ihr Kung Fu-System von nun an Ving Tsun, nach dem Namen Ihrer Schülerin. Somit kann man den Schluss ziehen, dass die Entstehung des Ving Tsun-Systems auf die buddhistische Nonne Ng Mui zurückgeht. Nachdem Yim Ving Tsun geheiratet hatte, unterrichtete sie ihre Kampfkunst an ihren Ehemann, Leung Bok Chau.
Dieser gab die Kunst an Leung Lan Kwai weiter, der wiederum an Wong Wah Bo, ein Mitglied einer Operntruppe, die auf einer Dschunke lebte. Die Chinesen vor Ort nannten diese Dschunke die „Rote Dschunke“, auf welcher ein Mann mit dem Namen Yeung Lee Tei lebte, der die Sechs-und-ein-halber-Punkt-Langstock-Technik vom Schiffskoch erlernt hatte. Dieser Koch war niemand anderes als der aus dem Kloster Shaolin geflüchtete Meister Chi Shin, der hier unter falschem Namen lebte.
Die enge Freundschaft, die Wong Wah Bo und Leung Yee Tei verband, führte dazu, dass die beiden Männer ihre Kung Fu-Stile austauschten und daraufhin die Sechs-und-ein-halber-Punkt-Langstock-Techniken ein Bestandteil des Ving Tsun-Systems wurden.

Leung Jan, ein berühmter Arzt aus der Stadt Fatshan in der Kwantung-Provinz wurde ebenfalls von Leung Yee Tei in die Kunst des Ving Tsun eingewiesen. Er erreichte einen unglaublich hohen Grad an Perfektion, der sich darin niederschlug, dass alle Herausforderer, die aus ganz China kamen, besiegt wurden. Niemand hatte auch nur einen Hauch einer Chance. So wurde die Kampfkunst Ving Tsun über die Grenzen der chinesischen Provinzen berühmt.
Leung Jan gab seine Kampftechniken an Yip Mans Lehrer (Si-Fu) Chan Wah Shun weiter.
Neben Großmeister Yip Man erlernten seine älteren Kung Fu-Brüder Ng Chung So, Ng Siu Lo, Lui Yu Chai und Chan Yu Min im laufe der Jahre das gesamte System von Chan Wah Shun.
So wurde das Ving Tsun-System in einer Linie von Generation zu Generation bis zum heutigen Zeitpunkt weitergegeben.
Die hier vorliegende Historie stammt von Yip Man selbst. Yip Man verstarb am 2. Dezember 1972. Ohne ihn wäre unsere wunderbare Kunst für immer verloren gegangen.

Vielen Dank für die geschichtliche Aufarbeitung an unseren Freund Tweety!